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Rafaela Weinz, Evensong - Historische Konfigurationen einer liturgischen Form

5. Die Tradition des Evensong im 20. Jahrhundert

Das gesamte Werk Stanfords ist maßgebend für Kirchenmusik und sinfonische Kompositionen des vergangenen Jahrhunderts, er konnte durch seine Kompositionen die alte Form des Great Service mit der des Short Service verbinden und zugleich Eigenschaften der Instrumentalmusik einbauen, deren Harmonik den Zeitgeist aufgriffen. Stanford erreichte eine Kopplung der Musik der frühreformatorischen Zeit mit der Musik der Gegenwart, die heute in den Kathedralen Englands durch die Praxis verstärkt wird. Neben zahlreichen Service-Kompositionen konnte das letzte Jahrhundert weitere Anthems, sowie Preces and Responses und Anglican Chants hervorbringen, denen ebenfalls die neue Ästhetik der „Musical Renaissance“ zu Grunde liegt.

5.1 Präsentation einer spezifisch englischen Kunst

Während am BoCP seit 1662 keine Änderungen mehr vorgenommen wurden1, erfuhr die musikalische Gestaltung des Evensong in englischen Kirchen im 18. und 19. Jahrhundert immer wieder Neuerungen. Neben den neuen Entwicklungen im Bereich der Komposition, wie sie in Kapitel 4 beobachtet wurden, konnte sich auch der musikalische Vortrag durch den Chor im Lauf der Zeit verändern. Diese Konfiguration der Darbietung des Evensong ist nicht zuletzt auf die Initiative der Chorleiter zurückzuführen, die während des 20. Jahrhunderts mehr und mehr auch Verantwortung für die Auswahl der Werke übernehmen wollten. Auch wenn die Auswahl der Kompositionen für den Gottesdienst damals wie heute in den Funktionsbereich des Precentors fällt, der im Gegensatz zum Chorleiter nur eine geringe musikalische Ausbildung vorweisen kann, konnten sich vielerorts die Chorleiter mit diesem einigen, eine gemeinsame Verantwortung für die Zusammenstellung der Werke zu übernehmen. Die Folge ist heute in den Kathedralen Englands zu spüren: Mit dem Evensong präsentiert sich jeden Tag aufs Neue die ganze Fülle einer spezifisch englischen Kunst vom gregorianischen Choral bis zu den Kompositionen der Gegenwart. So kann in der Praxis die Kopplung von alter Musik mit der zeitgenössischer Komponisten in einem Evensong noch verstärkt werden, indem die Musik des Evensong von jeweils unterschiedlichen Komponisten aus verschiedenen Epochen gewählt wird. Diese These lässt sich belegen, indem man sich die Auswahl der Musik für den Evensong für die beiden Londonder Kathedralen St. Paul's Cathedral und Westminster Abbey anschaut (vgl. Anhang 4). Für die Adventszeit 2005 wurden Komponisten wie Byrd, Sheppard und Mundy (16./17. Jhd.) ebenso wie Stanford, Harris und Howells (19./20. Jhd.) ausgewählt, hinzu kommt der Einfluss ausländischer Komponisten wie Pachelbel, Praetorius, Hassler, Buxtehude oder auch Duruflé und Liszt, die ebenfalls in einem Gottesdienst mit englischen Komponisten vorgetragen werden. Durch die vielen kleinen musikalischen Bausteine des Evensong eignet sich dieser für eine solche Präsentation der Vielfalt besonders gut. Für einen längeren Zeitraum kann folgende Beobachtung festgehalten werden:

Es stellt sich bei der Betrachtung des Evensong immer wieder die Frage nach der Integrierung der Gemeinde, die selbst im 20. Jahrhundert nicht stattgefunden hat, obwohl sich die anglikanische Kirche sonst sehr ihren Gemeindemitgliedern verbunden präsentiert. Im Zuge der „Musical Renaissance“ hat Samuel Sebastian Wesley diese Vorgehensweise zu legitimieren versucht:

In his view, those who actually performed the service could never be so thoroughly imbued with its spirits as those who preserved a silent attention. The beauty of choral service of the Church [...] must necessarily render the auditor speechless, and produce a feeling far different from that which results in utterance. ([Rainbow 1970], S. 35)

Auch in den anderen Gottesdienstformen der anglikanischen Kirche, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts wieder Einzug in die Kathedralen fanden2, bleibt der Gottesdienstbesucher weitestgehend passiv, da auch die aus der katholischen Tradition stammenden Akklamationsgesänge in der Liturgie der Abendmahlfeier häufig vom Chor übernommen werden. Nichts desto trotz zieht die Liturgie der anglikanischen Kirche jeden Abend die Menschen in den Evensong, der von den Liturgien des Tages die größte Aufmerksamkeit erfährt. Diese besondere Bedeutung des Evensong konnte sogar die Aufmerksamkeit der British Broadcasting Company (BBC) auf den Evensong lenken: seit dem 7. Oktober 1926 überträgt BBC in seinem dritten Radioprogramm wöchentlich um 16.00 Uhr Choral Evensong live aus einer Kirche der Church of England, wobei in der Weihnachtszeit Evensong durch die Übertragung der „Nine lessons and carols“3 ergänzt wird (vgl. [BBC Radio 3]).

5.2 Evensong abroad

Die anglikanische Kirche hat sich durch die Kolonialstaaten des Britischen Imperiums in der ganzen Welt ausbreiten und so auch ihre Traditionen in vielen Ländern der Welt installieren können. Der Service der BBC beinhaltet daher auch die Übertragung von Gottesdiensten aus Übersee, sowie die Übertragung der englischen Gottesdienste in alle Regionen der Welt. Über Satelit wie über Internet ist BBC Radio 3 und damit der Evensong weltweit empfangbar. Die Verbindung des Mutterlandes mit seinen Gemeinden im Ausland über dieses Medium garantiert eine Erhaltung der Tradition ebenso wie eine Weiterentwicklung. Während die liturgische Form festgelegt ist, erfährt die Auswahl der Musik landesspezifische Anpassungen, die die Vielfältigkeit der Musik im Evensong noch ausweiten. Eine Idee dieser interessanten Kopplung von englischer Kirchenmusik und außereuropäischen Einflüssen war am 14. Dezember 2005 zu erleben: BBC Radio 3 übertrug an diesem Tag einen Evensong aus der St. George's Cathedral in Cape Town, Südafrika. Während Preces und Responses ebenso wie die Psalmen der englischen Tradition entnommen waren (Responses: Barry Smith; Psalmen: Wesley und Knight), wurde bei den Canticles auf afrikanische Melodien zurückgegriffen (Magnificat: african fauxbourdons, arr. Chris Chivers; Nunc dimittis: Spiritual, arr. John Harper). Es handelt sich bei der Magnificat-Komposition um eine traditionell afrikanische Melodie, die kombiniert mit einer dem gregorianischen Choral entlehnten Akklamationsmelodie in einer responsorialen Form den Anforderungen des Evensong angepasst und von einem Solisten im Wechsel mit dem Chor gesungen wurde. Als Anthem wurde „A Song of Hope“, komponiert von Peter Klatzow, in diesem Evensong uraufgeführt, des weiteren wurde als Zwischengesang „An African Freedom Song“ vorgetragen (vgl. [BBC Radio 3]). Zum Einzug spielte eine Instrumentalgruppe mit Didgeridoo und Xylphon. Auch wenn diese Art des Evensong nicht die Regel ist, präsentiert sie doch eine Tendenz, die Evensong auch außerhalb der englischen Landesgrenzen zu einem Erlebnis werden lässt, dessen Funktion im Hören und zu sich selbst finden liegt. Genau diese Funktionen schreibt Richard Mailänder im Vorwort zu seiner Veröffentlichung „Kölner Chorbuch. Abendlob/Evensong“ auch dem Modell des Kölner Evensong zu: „innere Ruhe, um Glauben und Leben zu verbinden, und um den Tag ausklingen zu lassen.“ ([Mailänder 2004], S. 5)

5.2.1 Evensong im Kölner Dom 2005

Neben den anglikanischen Gemeinden außerhalb Englands findet der Evensong und seine Idee auch wieder Einzug in die katholische Tradition, nachdem dieser vor etwa fünf Jahrhunderten genau jener entsprang. Die Notwendigkeit einer Gottesdienstreform erkannten auch hier nicht die Kleriker selbst, sondern die Kirchenmusiker vor Ort, wie es auch schon für das 19. Jahrhundert in England beschrieben wurde. Die Kirchenmusiker der katholischen Tradition suchen eine Gottesdienstform, die den Menschen im Stress des Alltags wieder zur Ruhe bringen und ihn zu sich selbst zurückführen kann. Die Tradition des Stundengebets wird seit einiger Zeit in vielen Gemeinden zumindest in der Fastenzeit (hier vornehmlich die Laudes) wieder aufgegriffen, auch die Sonntagsvesper findet mancher Orts statt. Im Kölner Dom wurden während der Feierlichkeiten zum Domjubiläum im August 1998 regelmäßige Kompletfeiern zelebriert, die sich bei den Chören wie bei den Gottesdienstbesuchern solcher Beliebtheit erfreuten, dass die Idee entstand, eine Komplet als abschließendes Gebet des Tages in der Kathedrale zu installieren. Das Modell des Stundengebets der katholischen Kirche ist aber ursprünglich nicht für die Gemeinde ausgelegt, auch wenn immer wieder versucht wurde, diese in die Gottesdienstabläufe von Gemeinden zu integrieren. Daher kam die Frage nach einer ähnlichen, aber alternativen Form auf, die die klassischen Stundengebetsformen ersetzen und für Gemeinden wie Chöre attraktiver gestaltet werden könnte. Für das Erzbistum Köln hat sich Richard Mailänder am Modell des anglikanischen Evensong orientiert und nach dessen Vorbild eine neue Synthese von Komplet und Vesper versucht: „es war nicht intendiert, den anglikanischen Evensong komplett nachzubilden, sondern seine Grundzüge zu erfassen.“ (Mailänder 2006, siehe S. ??) Er beschreibt weiter drei wesentliche Elemente, die zum Teil der katholischen Stundengebetstradition und zum Teil der anglikanischen Tradition entspringen: Die „einfache einstimmige Gemeindepsalmodie mit Gemeindehymnen“ sind typische Elemente des katholischen Ritus, die auch im Gotteslob (GL) abgedruckt sind, hinzu kommt „einfache Mehrstimmigkeit in der Art von Taizé“ und schließlich die „anspruchsvolle Chormusik, die aber in ihren zeitlichen Proportionen zu den übrigen passt“ (ebd.). Neben den Einflüssen der Gesänge von Taizé unterscheidet sich der Kölner Evensong, wie Mailänder seine Form benannte, in einem wesentlichen Punkt von dem anglikanischen Schwestermodell: die Gemeinde soll hier in ganz anderem Maße am Gotteslob beteiligt werden. Während in England die Gemeinde nur durch das Singen des Hymnus am Ende und durch das Sprechen der Gebete (Glaubensbekenntnis, Vater unser) aktiv gefordert wird, intendiert der Kölner Evensong auch die Beteiligung der Gemeinde beim Singen der Psalmen und - wie die Analyse zeigen wird - auch beim Singen der Antwortgesänge Magnificat und Nunc dimittis. Aus der Geschichte der anglikanischen Kirchenmusik und des Evensong wurde ersichtlich, dass es offenbar in England nicht gelungen war, die Gemeinden so zu schulen, dass ihnen das Singen der Anglican Chants und gregorianischen Choräle möglich gewesen wäre. Diese Erkenntnis hatte in England erst zum Durchbruch der Chortradition im 19. Jahrhundert (vgl. Kap. 4.2) geführt. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie Köln dieses Problem zu lösen versucht. Auf Grund der Komplexität dieser Frage soll versucht werden, das Problem in kleinere „Hindernisse“ zu zerlegen und deren Lösungsversuche zu protokollieren.

Die erste Frage nach geeigneter Literatur sowohl für die Chöre als auch für die Gemeinden, die im Evensong verwendet werden kann, wurde an Mailänder während der Romwallfahrt im Jahr 2001 herangetragen. Für dieses Ereignis, an dem ca. 3800 SängerInnen teilnahmen, war ein eigenes Buch erstellt worden, in dem verschiedene Werke für die Verwendung bei den abendlichen Gebeten abgedruckt waren (vgl. Mailänder 2006, siehe S. ??). Da dieses Buch jedoch nicht unabhängig von der Wallfahrt und nur für Teilnehmer erhältlich war, kam die Frage nach einer allgemein verfügbaren Veröffentlichung auf, die in den Jahren bis 2004 unter dem Titel „Kölner Chorbuch. Abendlob / Evensong“ entstand und bis heute bereits in der 3. oder 4. Auflage erschienen ist. Diese Sammlung bietet einfache Gesänge für die Gemeinde, die durch Chorsätze ergänzt werden können (Psalmen in antiphonaler wie responsorialer Form); Taizégesänge, die durch ihre einfache Mehrstimmigkeit und auf Grund ihrer großen Bekanntheit in den Gemeinden von Gemeinde und Chor mehrstimmig gesungen werden können; Motetten und Anthems, die vom Chor vorgetragen werden sollen, sowie einfache (Psalmton) und künstlerische Vertonungen der Canticles Magnificat und Nunc dimittis (in lateinischer, deutscher und englischer Sprache). Der englische Evensong findet sich hier in einigen Werken repräsentiert, so zum Beispiel im Nunc dimittis aus dem Service in C von Stanford (vgl. [Mailänder 2004], S. 150). Ebenso wurde versucht, eine den Preces und Responses ähnliche Form der gemeinschaftlichen und mehrstimmigen Akklamation zu schaffen (vgl. [Mailänder 2004], Einband vorne und hinten), die durch eine ins deutsche übertragene Fassung der Preces von William Byrd in Es-Dur ergänzt wird (vgl. [Mailänder 2004], S. 10). Das Chorbuch versucht damit, den Chor als künsterisches Organ ebenso wie unterstützendes Organ (Taizé, Gemeindepsalmodie) einzubinden und der Gemeinde das Gefühl zu geben, dass sie neben der aktiven Teilnahme, in der sie durch den Chor unterstützt wird, auch zum Zuhören eingeladen ist. Hierin unterscheidet sich der Ansatz schon deutlich von den anglikanischen Ideen, in denen entweder der Chor oder die Gemeinde gefordert waren. Eine wie im Kölner Modell partnerschaftlich angelegte Beziehung der beiden Gruppen war in England nicht Bestandteil der Diskussionen.

Das Kölner Chorbuch stellt folgende, von Richard Mailänder konzipierte Form als so genannten Kölner Evensong auf:

Diese Form unterscheidet sich damit im wesentlichen durch die musikalischen Intentionen vom anglikanischen Evensong: Nur Anthem oder Psalmmotette sind als Chorvortrag festgelegt, die Psalmen können von Gemeinde und Chor vorgetragen werden, ebenso bietet das Chorbuch auch für die im Anglikanischen vom Chor gesungenen Canticles für das Kölner Modell Literatur für das Singen von Chor und Gemeinde. Des weiteren ist das Element der Stille ein spezifisches Merkmal, das Mailänder aus der Taizé-Tradition übernommen hat und vielleicht das bieten soll, was im anglikanischen Evensong die Rezeption der Chormusik erreicht. Neben der marianischen Antiphon, die im Kölner Modell an die Stelle des Hymnus tritt, wird zwischen Lesung, bzw. Stille und den Canticles, die in der anglikanischen Tradition als Antwortgesänge fungieren, ein weiterer Gesang gesetzt. Es lässt sich also festhalten, dass der Kölner Evensong nicht nur mehr Möglichkeiten für die Gemeinde bereithält, sondern auch insgesamt mehr musikalische Elemente fordert. Einzig die Akklamationsgesänge kommen hier in verkürzter Form vor. Dafür sind die Anforderungen an die Musik deutlich geringer, wodurch ein gemeinschaftliches Erleben des Evensong erreicht werden kann.

Das zweite Problem fragt nun nach der Praxis dieses gemeinschaftlichen Prinzips. Wie Richard Mailänder in dem Interview beschreibt, findet der Evensong in der Form, wie er in dem Chorbuch beschrieben wird, jährlich ca. 50-70 mal im Erzbistum Köln statt (vgl. Mailänder 2006, siehe S. ??), es muss also davon ausgegangen werden, dass zumindest in diesen Gemeinden dieses Prinzip auch in der Praxis funktioniert. Trotzdem bleibt die Frage, ob man die Form auch in Gemeinden praktizieren kann, die, wie die englischen Kathedralen, mit täglich wechselnden Gottesdienstbesuchern zu rechnen haben. Hierfür bietet sich die genauere Betrachtung der Abendgebete im Kölner Dom an, die während der Adventszeit 2005 jeweils Samstags und Sonntags, in den letzten beiden Wochen auch Freitags unter dem Titel Evensong stattfanden. Der erste große Unterschied, den auch Mailänder negativ bemerkt, bildet die Auswahl der Chöre: während dieser Tage wurde für jeden Evensong ein anderer Chor aus dem Erzbistum eingeladen, den Gottesdienst zu gestalten, was neben Werkdopplungen auch zu einem sehr inkonsistenten Ablauf führte, zuletzt auch deshalb, weil das Domkapitel für jeden Evensong einen anderen Domkapitular entsandte und diese in den Ablauf sehr schlecht eingewiesen waren. Neben diesen organisatiorischen Problemen, die nur auffallen konnten, wenn man regelmäßig an den Feiern teilnahm, war auch die Qualität der Chöre und deren Umgang mit der Gemeinde sehr unterschiedlich. An manchen Abenden konnte die Gemeinde motiviert werden, auch aktiv mitzusingen, wie es intendiert war; an anderen Abenden konnte diese Beziehung zwischen Gemeinde und Chor nicht einmal annähernt hergestellt werden. Insgesamt tat sich die Gemeinde schwer mit dem Singen der Psalmen ebenso wie mit den Taizégesängen, die ansich bekannt sein sollten. Es lies sich allerdings ebenfalls beobachten, dass die Aktivität der Gemeinde durch Einsatz der Orgel positiv beeinflusst werden konnte. Leider hatten die meisten Chöre diese Möglichkeit ausgeschlossen, da die Position der Orgel und des Chores im Kölner Dom auch für die dort ansässigen Chöre immer wieder zu Problemen führt4 und für Chöre von außerhalb kaum in einer kurzen Probe zu lösen sind. Es scheint daher empfehlenswert, „dass die Chöre nicht permanent wechseln, um so eine Stabiliät der Form und auch des Mitsingens zu gewährleisten.“ (Mailänder 2006, siehe S. ??)

Während sich das Chorbuch selbst gut verkauft, scheint der Evensong als Form in der katholischen Kirche noch einer Zeit zu bedürfen, bis eine von Chor, Gemeinde und Geistlichen akzeptierte Praxis gefunden ist, denn auch die Priester taten sich im Dom schwer, diese fremde Form, die ja sowohl nach dem anglikanischen wie nach dem Modell Mailänders ohne den Beistand Geistlicher auskommt, anzunehmen. Das äußerte sich im Dom in kurzen Predigten, die belegen, dass die Geistlichen wohl der Sprache der Musik und des Gebets allein nicht vertrauen mochten, und durch die konsequente Vermeidung des englischen Terminus bei der Begrüßung: Hier wurde die Gemeinde (bis auf eine Ausnahme) stets zum Abendgebet oder Abendlob begrüßt, das Wort Evensong wurde nicht gebraucht.

Auch außerhalb des Erzbistums Köln und der katholischen Kirche findet die Form des Evensong vermehrt in protestantischen Gemeinden Einsatz. Auf eine Beschreibung weiterer Adaptionen soll jedoch an dieser Stelle verzichtet werden.


1seit 1662 sind durchaus weitere Auflagen des BoCP erschienen, unter anderem wurde das Gebetbuch in andere Sprachen übersetzt und an die Bedingungen in anderen Ländern angepasst. Die Church of England hat diese auch bestätigt, allerdings wird in den Kathedralen Englands an der Version von 1662 festgehalten. Die liturgische Form des Evensong entspricht damit im 21. Jahrhundert der Form der von Charles II 1662 bestätigten Liturgie.

2In den großen Kirchen finden inzwischen täglich Morgengebete und Abendmahlfeiern statt, allerdings werden diese nur Sonntags von einem Chor begleitet, wohingegen der Evensong nahezu täglich in den Kathedralen gesungen wird.

3Hierbei handelt sich ebenfalls um eine spezifisch anglikanische Liturgieform, in der jeweils im Wechsel ein Lesungstext und ein Antwortgesang vorgetragen werden. Die Gesänge entstammen meist aus dem großen Repertoire an traditionellen Carols, die durch Hymnen, die auch von der Gemeinde gesungen werden, ergänzt werden.

4Das Dirigat des Chorleiters wird durch eine Kamera zum Organisten übertragen, dessen Klänge jedoch durch die Größe der Kathedrale zeitversetzt auf dem Chorpodest ankommen. Der Chor muss also immer kurz vor der Orgel sein, um ein gutes Klangergebnis zu erzielen.